Anwendungsorientierte Aufmachungen
Sind wir, was wir anziehen – oder wollen wir das erst noch werden?
Ich glaube nicht an Funktionskleidung. Wenn ich mir erst etwas Bestimmtes anziehen muss, um etwas Bestimmtes zu tun – sollte ich das dann wirklich tun? Und vielmehr noch: Sollte ich das dann wirklich anziehen?
Wie praktisch kann schon etwas sein, wenn ich es, wie Wanderstiefel etwa, erst dehnen, einlaufen und fragwürdig-traditionellen Mythen zufolge mit körpereigenen Ausscheidungen befüllen soll, damit es seine Praktikabilität unter Beweis stellen kann? Dass es am Ende doch nur für Blasen an den kleinen Zehen sorgt, sei ja beim ersten Mal Tragen immer so. Wäre der Fußmarsch in Riemchensandaletten mit strassbesetztem Blockabsatz da nicht ehrlicher?
Außerdem lässt die grüne Wildnis immer ein bisschen Todesfurcht in mir aufkommen. Abgeschieden von betonierter, schaufenstergesäumter Zivilisation fühle ich mich dafür nicht gewappnet – seit ein paar tausend Jahren nicht mehr. Der Gedanke, dort in Leggings und an den Ballen verstärkten Socken umzukommen, beängstigt mich aber noch mehr. Im schlimmsten Fall würde ich darin dann im Jenseits weiterleben müssen; für mich die reinste Hölle.
Was hingegen bei mir für Lebensfreude sorgt, sind Overknee-Stiefel, die so bequem sind wie meine Lammfell-Puschen für Sonntage. Oder 80er-Jahre-Pailletten-Kleider aus Acapulco, in denen Staubsaugen und Zum-Lieblingssong-um-die-eigene-Achse-Drehen gleichermaßen leicht von der Hüfte gehen. Das sind textiltechnische Anforderungen, die nicht zu unterschätzen sind.
Vielleicht sind die wirklich funktionalen Teile also jene, in denen wir uns wie wir selbst fühlen. Die wir nicht erst anziehen müssen, um etwas Bestimmtes tun zu können. Sondern die uns das Selbstvertrauen geben, für jedes Abenteuer bereit zu sein – selbst wenn es das letzte sein sollte; oder auch nur Staubsaugen.