Bequemlichkeit ist tückisch. Sie verhindert, dass etwas vorangeht, dass sich etwas weiterentwickelt, dass sich überhaupt irgendetwas tut. Und dabei kommt sie so unverschämt gemütlich daher wie ein Paar kuschelige Zakopianki. Doch anders als die mit Schaffell gefütterten Hauspantoffeln aus der polnischen Tatra, erfüllt Bequemlichkeit keinen Zweck. Sie wärmt nicht an kalten Wintertagen, im Gegenteil: Sie frisst Energie, ohne neue zu generieren.
Bei mir hat diese zwecklose Bequemlichkeit die Form eines taillenhohen Lederrocks von Escada aus den 80ern. In den letzten Zügen des Winters ertappe ich mich dabei, wie ich fast blind danach greife – und ihn jedes Mal mit demselben dunkelblauen Schurwoll-Blazer kombiniere. Nicht, weil nichts anderes in meinem Kleiderschrank zu finden wäre. Sondern weil sie zusammen letzte Woche ganz gut funktioniert haben; und die Woche davor; und die davor.
Das führt spätestens seit Mitte Februar zu dem Gefühl, tatsächlich nichts anderes im Schrank zu haben. Eine Art Kleidungsstück-Demenz setzte ein und es beginnt nun unweigerlich jede Outfit-Planung mit diesen beiden Teilen; ein stilloser Teufelskreis.
Eine Mitschuld trägt der Rock, weil Escada in den 80ern wirklich gute Röcke gemacht hat – wer einmal einen anhatte … Und der Rest bestätigt sich wie von selbst, indem mein eigenes Unverständnis über solche gedankenlosen Outfits den letzten Treibstoff für Kreativität aufsaugt – in Form von Ärger, gefolgt von Gleichgültigkeit: Der Winter ist ja eh bald vorbei.
Doch der Sommer ist wiederum so lange her, dass ich mit meinen Outfits der letzten warmen Jahreszeit fremdele. Wer war noch mal die Person, die zum magentafarbenen Seiden-Slipdress zwei übergroße Ansteckblumen wählte? Die Spitzen-BHs unter Hawaiihemden hervorblitzen ließ? Die in goldenen Sandaletten auch noch zum Leoparden-Print griff?
An dieser Stelle könnte ich panisch in blinden Mode-Aktionismus verfallen: Alles raus, trag ich doch eh nicht mehr! Aber mit den Jahren kommen nicht nur Ausmist-Aktionen, sondern auch schmerzhafte Erfahrungen der Reue – dass ich den weißen Viskose-Midirock trotz Fleck nie hätte wegwerfen dürfen zum Beispiel. Oder dass die unechte Gucci-Bauchtasche zwar nicht praktisch, aber doch ganz schön war. Radikalität ist eben in den seltensten Fällen eine nachhaltige Lösung. Und deswegen entscheide ich mich dagegen, den Escada-Rock samt blauem Blazer zu verbannen.
Ich frage mich stattdessen, wie ich den Rest meiner Garderobe die vergangenen Monate über so ignorieren konnte. An welchem Punkt genau hat sich die Bequemlichkeit eingestellt? Habe ich nur einen Styling-Winterschlaf gebraucht? Oder sind die kalten Monate nichts anderes als die modische Off-Season?
Auch so eine Tücke: Rechtfertigungen. Bequemlichkeit ist ein Genie darin, Begründungen und Entschuldigungen für sich selbst zu finden. Also lasse ich erst gar nicht zu, dass das Wetter oder der Pinterest-Algorithmus dafür verantwortlich sein könnten, dass ich bordeauxfarbenes Leder und dunkelblaue Schurwolle immer wieder aufs Neue wähle. Nein, ich stelle mich der Bequemlichkeit – und greife in meinem Kleiderschrank rechts neben den Rock und links neben den Blazer. Es entsteht vielleicht kein perfektes Outfit, aber Energie für was Neues.