Von meiner Suche nach einem T-Shirt mit Bedeutung
Seit den 60ern tragen wir gedruckte Statements auf der Brust. Und was will ich heute mit einem T-Shirt sagen?
Vielleicht war es die Hitze oder das viele Schokoeis deswegen, aber am Mittwoch überkam mich das Bedürfnis nach einem T-Shirt. Zum ersten Mal stand ich vor meinem Kleiderschrank und wünschte mir etwas aus Baumwolle, mit kurzen Ärmeln – in seiner banalen Schnörkellosigkeit. Ich konnte meine Garderobe verdutzt die Stirn kräuseln fühlen. Ich war ja selbst überrascht.
T-Shirts waren für mich bislang etwas, das andere trugen. Und ich verstand ehrlich gesagt nicht wieso. Bei all den Seidenblusen, Spaghettiträgertops, Hawaiihemden und Rippstrick-Polos kam mir nie in den Sinn, etwas anzuziehen, dessen stärkstes Verkaufsmerkmal seine T-Form ist. Davon konnten mich auch Marlon Brando und James Dean nicht überzeugen. Bis ich eben am Mittwoch bei Hitze und mit Eis vor meinem Kleiderschrank stand und mir plötzlich sehr sicher war, jeder Viskose-Rock wäre mit einem T-Shirt noch besser. Auf einmal war banale Schnörkellosigkeit genau das, was meinen Outfits fehlte.
Na ja, nicht ganz banal und schnörkellos. Ich wollte eins mit Bedeutung – im wahrsten Sinne. Denn nachdem T-Shirts lange gebraucht hatten, um gesellschaftlich überhaupt als Oberbekleidung akzeptiert zu werden, wurden sie in den 60ern bedruckt zur Selbstdarstellung: ob mit Werbung, aus Protest oder als Andenken an den Ressort-Urlaub. Ihren Höhepunkt fanden Print-Shirts dann vermutlich in den 90ern. Danach nahm niemand mehr ein Blatt Transferfolie vor den Mund, es wurde explizit, manchmal ordinär und vor allem ironisch auf T-Shirts.
Vorn mit dabei: Britney und Paris. Sie machten die wie eingelaufen wirkenden Baby-Tees zur Uniform der 00er-Jahre. Mit Aufschriften wie „Dump Him“, „Skinny Bitch!“, „I am the American Dream“, „My boyfriend is out of town“ und „Thats hot! / Your not!“ waren Statement-T-Shirts das, was kurze Zeit später unser ICQ-Status werden sollte. Während man in den 60ern den neu erfundenen Smiley trug oder sich mit dem Peace-Zeichen modisch für Frieden aussprechen wollte, wurde in den 00er-Jahren bekundet, ob man nun „Team Aniston“ oder „Team Jolie“ war. Aber was wollte ich heute mitteilen?
Meine Liste an politischen Einwänden ist zu lang für ein T-Shirt; ich möchte eins auf Nabelhöhe, nicht mit Schleppe. Und mich mit Logo-Print einer Marke zu verschreiben? Ich weiß nicht. Werden Influencer dafür nicht mit Fantasiesummen bezahlt? Dann wären da noch all die Band-Shirts, deren Optik ich meist so finde wie die Musik. Auch Erinnerungen an Urlaubsorte muss ich nicht auf meiner Brust tragen, die habe ich lieber im Kopf.
Ich fand ein T-Shirt mit dem russischen Wort für Liebe: любовь – allerdings durchgestrichen. Ein anderes T-Shirt zeigte Brüste einer Frau. Das ergab für mich noch weniger Sinn. Und dann die Vielzahl an seelenloser Positivismen: „Winning at Life“, „Good Vibes Only“, „Slay Everyday Era“, „Today is a good day“. Was, wenn nicht? Mit folgendem Glitzer-Schriftzug auf dem T-Shirt hätte ich definitiv keinen guten Tag: „Know your worth! Then add tax.“ Steuererklärungen sind nämlich fast so nervig wie euphorischer Selbst-Hype in Flockprint.
Ein anderes T-Shirt weckte meine Aufmerksamkeit: „Not only am I funny … I have nice titties too!“ Aber irgendwie sollten die Dinge(r) doch für sich sprechen. „Bimbo“ in Barbie-Schrift habe ich auch gesehen. Puh. Gab es eigentlich nur englische Statements auf T-Shirts? Nein, auch in Deutsch kann man Wörter auf Textil drucken, die ich noch nicht mal in mein verschlossenes Tagebuch geschrieben hätte: „Egal wie dicht du bist, Goethe war Dichter“ zum Beispiel. Auch ein Trikot mit dem Namen „B. Saufen“ fällt darunter.
Dann lieber die schon zu oft gesehenen Mode-Floskeln wie „I swear on Chanel“, „J’adore Dior“ – oder ein T-Shirt mit „Vogue“, das gibt’s wenigstens gratis zum Abo dazu. Gerade auch ganz hip: alles, was sich auf Aperol reimt. Oder auch nicht und trotzdem Aperol zeigt. Nach 16 Uhr mag das ganz passend sein, aber morgens in der Straßenbahn? Ich wollte etwas, das unabhängig ist; was weder Anstrengung zum Dechiffrieren bedarf noch peinlich werden könnte, wenn man damit zufällig die Schwiegermutter auf der Straße trifft (was mir noch nie passiert ist, trotzdem).
Und dann, nach drei Tagen des Klickens, Tab-Öffnens und Nach-Größen-Kategorisierens, wurde ich fündig. Ich glaube, ich habe das perfekte T-Shirt für mich entdeckt – eins mit Bedeutung, eins, das jeden Viskose-Rock noch besser macht. Auch wenn ich es dafür erst kürzen lassen muss; wie gesagt, ich will eins auf Nabelhöhe. Während ich das tippe, ist es auf dem Postweg. Ich könnte die darauf gedruckten Worte hier aufschreiben. Aber dafür wurden Statement-T-Shirts nicht gemacht. Sie müssen im Kontext gelesen werden, um ihre ganz eigene Sprache zu sprechen – eine, die ich jetzt auch lerne.
PS: Was ist dein liebstes Statement-T-Shirt? Oder eins, das du definitiv nie (wieder) tragen würdest? Eins, das du mal verschenkt hast – aber froh bist, es nicht selbst geschenkt bekommen zu haben? Oder eins, das du unbedingt noch brauchst? Schick mir Fotos, erzähl mir davon – ich bin neugierig! Antworte dafür einfach auf diese E-Mail oder schreib mir eine Nachricht in der Substack-App.
PPS: Fotos von meinem Statement-Tee im Kontext folgen. :-)
Geiles Thema....Ich hatte sicher irgendwo ein "I'm too pretty for this" oder "Make Boys Cry"
T-Shirt...Cringe hoch 1000. :D