Den Sinn von „gutem Geschirr“ habe ich nie verstanden. Wenn Uroma Ruth an Feiertagen das Kaffeeservice aus der Glasvitrine nahm – und nicht das übliche aus dem Küchenschrank –, taten mir die anderen Tage leid. Waren die denn weniger wert als Ostern oder der Geburtstag von Uropa Heinz? Hatten die kein Recht darauf, zu etwas Besonderem zu werden?
Allerdings fand das sogenannte Feiergeschirr so wenigstens ab und an Verwendung. Besonders schlimm traf es hingegen die dunkelblauen Nylon-Handschuhe von Oma Gisela: Diese waren ihr so heilig, dass sie sie nicht nur „für gut“ aufsparte, sondern gleich bis zu meinem 16. Geburtstag luftdicht aufbewahrte. Zwei Jahre später starb Oma Gisela. Ihre Handschuhe hüte ich bis heute, allerdings sind nicht sie es, die mich an sie erinnern. Wie auch? Sie hatte sie ja kaum getragen.
Ich selbst habe zu viel Angst, den richtigen Moment für „gute“ Handschuhe zu verpassen. Darum esse ich jeden Tag von dem teilvergoldeten Besteck, das mir Oma Gisela „für gut“ noch vor den Handschuhen zu meiner Jugendweihe geschenkt hatte. Und die Sammeltassen von Uroma Ruth zogen aus ihrer Glasvitrine in meinen Küchenschrank; griffbereit neben meinem „Britney Spears survived 2007, you can handle today“-Kaffeepott.
Mein Ansatz: Wenn jeder Tag wie Ostern und der Geburtstag von Uropa Heinz ist, zumindest in der dekorativen Ausstattung (und dem Sektkonsum vielleicht), war’s am Ende ein Leben voll wortwörtlich schöner Momente – für mich ist das schon jetzt ein Grund zum Feiern.
So wahr! Ich hatte eine Zeit lang die Tendenz, die leckersten Sachen auf dem Teller bis zum Schluss aufzuheben, à la save the best for last. Nur war ich dann schon zu satt, um sie richtig zu genießen. Den Fehler mach ich nicht mehr!
Klingt ja auch erst mal wie eine pfiffige Idee! Bis man’s dann durchspielt ...