Bei Wintermänteln bin ich mode-monogam. Meine Beziehung zur Oberbekleidung der kalten Jahreszeit ist vielleicht nicht lebenslang, aber definitiv exklusiv. Da steckt ja auch Arbeit drin: nächtelanges Klicken durch 783 Vinted-Seiten – zweimal das Ganze, um wirklich sicherzugehen, kein Mantel-Modell übersehen zu haben. Die Filter-Optionen erst kleinlichst ausgereizt, um dann doch noch mal alles komplett durchzuschauen. Daraus entsteht nicht nur ein Flirt, das ist das textile Versprechen: Bis dass der (Trend-)Tod uns scheidet!
Trotzdem kann ich sie verstehen, die polygamen Mantelträger: Wie unbeschwert muss es sein, zu jeder Laune einen neuen ausprobieren zu können. Keine Lust auf Wollfilz? – Nylon, danke! Genervt vom Teddyplüsch? – Lammfell, Baby. Da bedarf es keiner Verbindlichkeit beim Kauf. Lustgesteuert nimmt man den nächstbesten mit nach Hause, immer im Hinterkopf: Es gibt ja noch andere.
Doch bei so viel Auswahl kann einem keiner so richtig ans Herz wachsen. Denn wie viele schlaflos durchklickte Nächte kann man sich schon leisten? Also werden Kompromisse eingegangen, Abstriche gemacht und es wird modisch down-gedatet. Fehlende Kompatibilität ist der Preis abwechslungsreicher Mode-Abenteuer.
Vielleicht bin ich outerwear-konservativ. Vielleicht entgehen mir aufregende Streetstyle Looks fürs bipolare Berliner Winterwetter. Doch mit dem einen Mantel durch die schlimmste Jahreszeit zu gehen, an ihm die ganze Woche lang die vietnamesische Pho von Montagabend zu riechen und den Zigarettenmief der Eckkneipe auch nach dreimaligem Lüften nicht loszuwerden, das Wunderkerzen-Brandloch mit einer Brosche kaschiert zu wissen und ihn bei Starkregentagen nie wirklich trocken zu bekommen, weil man ja schon wieder in den Monsun ziehen muss – das verbindet.
Wenn dann die Temperaturen über 12 Grad klettern und er frisch gereinigt (und endlich trocken!) bis zum nächsten Winter verstaut wird, denke ich gern an diese Monate zurück. Ich bin stolz auf uns, dass wir der Witterung trotzten – ob mit Wollpulli oder Paillettenkleid drunter. Und irgendwie kann ich es für einen kurzen Moment lang kaum erwarten, dass es wieder grau und nass und kalt wird. Denn ich weiß, ich habe ihn, den einen, mit dem selbst der Winter ausgehwürdig wird.
😍 Ich hab ihn, den einen, orangefarben und seine grauen Knöpfe hab ich durch bunte Knöpfe ersetzt. Er ist mein Winterhundespaziergangsmantel. Den einen für Winter hab ich noch nicht gefunden, denn wie du schreibst, es muss ein besonderer Mantel sein.