Top und Flop im Herbst
Die goldene Jahreszeit beginnt: mit 16 Grad und Nieselregen. Auf manches freuen wir uns, anderes ertragen wir nur.
Für diese Newsletter-Ausgabe haben Kenneth Chorengel von der Kolumne eines mittelmäßigen Influencers und ich überlegt, was für uns im Herbst durchaus angenehm ist – und worauf wir lieber verzichten würden.
Top im Herbst
Kaschmir mit Seide zu kombinieren
Anne: Das geht wirklich nur im Herbst. Und auf internationalen Laufstegen natürlich. Aber da geht ja immer alles. Was kümmert die Designer auch Pfützen, Blasenentzündungen oder Schweißflecken? Doch im echten Leben, da ist mir im Winter zu kalt für Seide, im Sommer zu warm für Kaschmir und im Frühling habe ich einfach keine Lust mehr auf Gestricktes. Aber im Herbst! Seiden-Leibchen unter Kaschmir-Cardigans, Seidentücher zu Kaschmir-Pullovern, Seidenblusen mit Kaschmir-Schals … Die beiden Materialien sind so schön gegensätzlich, aber in ihrem Luxus-Gefühl gleich. Hach.
Kenneth: Sehe ich in der Männerwelt eher nicht so. So ein seidenes Hemd stelle ich mir höchstens an einem echt schönen Mann vor, südländischer Touch, Brusthaar, aber nicht zu viel, mindestens 3 Knöpfe offen. Nur dann geht das in meinen Augen. In der Frauenwelt allerdings total gut! Kaschmirpullover über einem Rock aus Seide oder auch, wie Anne es bereits beschrieben hat. Aber Seide generell ist auch nicht meins.
Der Geruch von verbranntem Holz
Kenneth: Ich gehe super gern spazieren. Eingekuschelt in bequemer Kleidung, idealerweise ein Mix aus Kaschmir und Seide ;), ist die frische, kühle Luft befreiend für die Seele. Und wenn ich dann noch den Geruch von verbranntem Holz rieche, zaubert es mir einfach ein Lächeln ins Gesicht, und in dem Moment gefällt mir der Herbst total!
Anne: Den Geruch von verbranntem Holz habe ich den ganzen Winter in der Nase: Wir haben zwei Öfen, mit denen wir heizen. Und Kenneth hat recht: Das kann der Sommer nicht!
Menschen, die fest an einen „goldenen Herbst“ glauben
Anne: Ich bin kein Herbst-Fan. Aber an irgendwas muss man sich ja klammern. Da nehme ich dankend die Euphorie derjenigen entgegen, die sich selbst (und mir) einreden, dieser Herbst würde „ein echter Altweibersommer“ werden, richtig golden eben. Und das bunte Farbspiel der Bäume erst! Dieser Lüge schenke ich solange Glauben, bis meine Wetter-App das Regensymbol als Standardanzeige einzusetzen scheint …
Kenneth: Ich bin in diesem Punkt bei Anne. Ich finde kühle Sommertage ja schon nervig, wie soll ich dann den Herbst finden? Meine Frau allerdings freut sich total auf den Herbst und hat mich auch ein wenig damit angesteckt. Das Einzige jedoch, was mich an kühleren Temperaturen erfreuen lässt, ist die Möglichkeit, sich in der Modewelt mehr auszutoben! Strickjacken, Westen, Filzhüte, Trenchcoats und Schals können so viel mit dem Look anstellen!
Anne: Sich anzustecken – auch so eine Sache im Herbst …
Rotwein
Kenneth: Rotwein steht für mich mehr in Verbindung mit Herbst als mit rotem Fleisch oder Pasta. Abends gemütlich auf dem Sofa sitzen – wissend, dass die Balkontür womöglich nicht länger als 5-10 Minuten offen sein kann, bevor man friert – sich ein Glas Primitivo einschenken und anzustoßen, bedeutet für mich absolute Entspannung. Klar kann man auch Tee statt Rotwein nehmen, aber komm… Dazu eine Serie „bingen“ oder ein Buch lesen – ja, so geht Herbst!
Anne: Rotwein hab ich so lang nicht mehr getrunken! Mein Favorit war ein Barolo. Das letzte Glas hatte ich, als Adele ihr Album „25“ rausbrachte – das ist fast zehn Jahre her! Aber für mich stand Rotwein immer mehr für Herzschmerz als für Herbst. Von daher ist meine Abstinenz wohl ein gutes Zeichen.
Die Garderobe auszutauschen
Anne: … und damit meine ich nicht, alles wegzuwerfen und Neues zu kaufen. Ich habe irgendwann angefangen, saisonale Teile auch nur in der jeweiligen Saison im Schrank zu haben. In der Nicht-Saison sind sie woanders verstaut. So freue ich mich beim Jahreszeitenwechsel von Sommer auf Winter und andersherum auf Kleidung, die ich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen habe. Alles wirkt neu und aufregend. Hatte meinen roten Kaschmir-Stehkragen-Pullover fast vergessen! Und die metallic-blauen Cowboy-Stiefel!
Kenneth: Bei dem Punkt bin ich etwas zwiegespalten. Ich befinde mich in der luxuriösen Situation, ein Ankleidezimmer von ca. 25-30 m² mit meiner Frau zu teilen. Der Großteil der PAX-Kombination gehört mir. Klar freue ich mich, meine Sommeranzüge mit meinen Herbst-/Winteranzügen zu tauschen, die Rollkragenpullover ins Regal zu räumen und Stiefel gegen Loafers zu tauschen. Und ich weiß, dass es jetzt Jammern auf ganz hohem Niveau ist. Aber es nimmt einfach auch mindestens einen halben Tag in Anspruch und ist ein bisschen nervig, alle Kleiderbügel auszutauschen…
Filzhüte & Newsboy Caps
Kenneth: Kopfbedeckungen in Form von Hüten oder Newsboy Caps sind für mich zu 85 % ein Muss. Im Frühling/Sommer, um meine Glatze vor der Sonne zu schützen, im Herbst/Winter, um meine Glatze vor Kälte zu schützen. Im Frühling/Sommer begrenze ich meine Wahl aber meistens auf Panamahüte, die alle ziemlich ähnlich aussehen. Der Herbst bietet mir endlich wieder die Möglichkeit, Farbe und Struktur ins Spiel zu bringen und entweder wie ein italienischer Mafiaboss oder wie einer der Peaky Blinders auszusehen. Beide Looks funktionieren im Herbst bestens!
Anne: Hüte sind toll. Seit ich in der Eröffnungsszene von Titanic Rose aus dem Auto steigen sah in ihrem auberginefarbenen Strohhut mit dramatisch breiter Krempe und übergroßer Taftschleife, vermisse ich die Zeit, in der man sich aufgrund ausladender Kopfbedeckung durch Türrahmen quetschen musste. Für meinen Kopf im Herbst wähle ich aber was Kleineres: Habe mich vor zwei Jahren in einen Fischerhut aus leicht mattem Vinyl mit detailliertem Leopardenfell-Print verliebt.
Meine Cowboy-Gummistiefel mit Pferde-Motiv
Anne: Es brauchte 14 Berliner Herbste, bis ich mich modisch der nassen Jahreszeit beugte. Aber nicht ohne Bedingungen! Ich wollte etwas, das mir gute Laune bereitet, wenn ich morgens in den Nieselregen muss. Und meine Laune ist an zwei Dinge gebunden: warme Füße und modische Extravaganz aka die Option auf Kitsch (siehe Fischerhut in Leo-Lack). Als ich die Cowboy-Gummistiefel mit Pferde-Motiv auf Ebay-Kleinanzeigen sah, wusste ich, dass der Herbst damit ein bisschen schöner wird.
Kenneth: Für Cowboy-Gummistiefel mit Pferdemotiv werde ich wohl 14 Herbste in Berlin verbringen müssen. Generell bin ich modisch überhaupt nicht für nasse Tage gewappnet. 2-3 Paar Schuhe mit Gummisohle habe ich, aber das war es auch. Ein paar Ludwig Reiter Gummistiefel würde ich allerdings haben wollen. Ohne Pferdemotiv, wenn möglich.
Suppen und Eintöpfe
Kenneth: Komm, da freuen wir uns doch alle drauf, oder? Wer hat Lust, bei 35 Grad zum Dinner einen Teller Eintopf zu essen? Keiner! Aber mit dem Herbst kommt der Appetit auf Suppen und Eintöpfe. Schlotzige, heiße Mahlzeiten, bei denen man sich mit den ersten 3-4 Löffeln auf jeden Fall die Zunge verbrennt und mit offenem Mund schnell einatmet, in der Hoffnung, dass sich das Essen vorm Schlucken abkühlt, weil es sonst auch sehr heiß in der Speiseröhre wird. Wer kennt's nicht…
Anne: Ich liebe Eintöpfe! Suppen genauso. Soljanka, Schichtkohl, Grüne-Bohnen-Suppe, Erbsensuppe mit Würstchen … Meine Kindheit war voll davon. Und ich habe erst vor ein paar Jahren bemerkt, dass die mir nicht nur schmecken, sondern auch meiner Seele guttun. Vor allem im Herbst.
Die dunkle „Golden Hour“
Kenneth: Die sogenannte „Golden Hour“ ist eine Stunde, die man sich nimmt, bevor der Tag beginnt. Egal, ob man liest, meditiert, Sport treibt oder einfach nur denkt und atmet. Dazu gibt es ein ganz fantastisches Buch, das ich noch nicht gelesen habe. An Home-Office-Tagen schaffe ich gerade noch eine Stunde, bevor ich den Laptop einschalte. An Bürotagen sind es mittlerweile nur noch circa 15 goldene Minuten, die ich mir gönne. So oder so gibt mir die Dunkelheit draußen das Gefühl, dass ich diese Zeit noch habe, bevor der Rest der Welt aufwacht. Dass ich den Tag schon angefangen habe und sonst niemand.
Anne: Ich bin schlecht im Früh-Aufstehen. Alles vor sieben Uhr fühlt sich falsch an für meinen Körper, besonders im Winter. Sich für sich selbst Zeit zu nehmen, finde ich trotzdem gut. Ich mache das oft, wenn ich mit der Straßenbahn auf dem Weg irgendwohin bin: Dann höre ich Podcasts, lese, träume mich mit Musik weg oder schaue mal ganz bewusst nur aus dem Fenster. Dabei versuche ich dann weder E-Mails zu checken noch durch Instagram zu scrollen, auch Nachrichten und Anrufe ignoriere ich. Selbst wenn es nur eine 20-Minuten-Fahrt ist: Ich hab mich kurz ganz für mich.
Flop im Herbst
Ein vom Winde verwehter Pony
Anne: Ich trage Curtain Bangs. Und Regen ist doof, ja. Aber Wind, der mir ins Gesicht bläst und meinen frisch geföhnten Pony einmal quer über die Stirn jagt, ist noch schlimmer. Am Ende ist der Schwung an den Spitzen raus, unproportionale Strähnen haben sich gebildet und meinen ursprünglich gezogenen Scheitel finde ich den ganzen Tag nicht mehr wieder.
Kenneth: What she said…
Autos, die zu nah an Bürgersteigen durch Pfützen fahren
Anne: Gibt’s die in Bremen auch?
Kenneth: Ja, und ich war auch schon Opfer. Hat man den ganzen Tag was von…
Die Tage werden kürzer
Kenneth: Und als Möchtegern-Influencer, der aber hauptberuflich im 9-to-5-Job tätig ist, wird es schwieriger, Content zu kreieren, wenn es von Tag zu Tag schneller dunkel wird.
Anne: Kurze Tage schlagen mir aufs Gemüt. Ich möchte gern alles aus 24 Stunden rausholen. Sobald es aber dunkel wird, verlässt mich die Energie. Wach bleibe ich trotzdem bis Uhlepingsten, wie man in meinem Heimatdorf sagen würde. Aber was Sinnvolles kommt da nicht bei rum. (Außer dass ich Wörter wie „Uhlepingsten“ nachschlage, weil ich wissen will, ob es einen Begriff wirklich gibt oder er aus der selbstkreierten Bonmot-Sammlung meiner Familie entspringt.)
Funktionskleidung
Anne: Die einzige regenfeste Kleidung, die ich besitze, sind mein Regenhut und meine Cowboy-Gummistiefel mit Pferde-Motiv. Und ich bin mir sicher, es wird dabei bleiben. Friesennerze, Regenponchos oder sonstiges mit Kapuze sind für mich nicht nachvollziehbare modische Einbußen. Darum wird mein Tagesablauf im Herbst von Regenradar-Apps bestimmt: was mir als freiheitsliebender Mensch aufstößt – aber nicht so sehr, wie zu etwas mit dem Namen Anorak greifen zu müssen. (Das Wort stammt übrigens aus Grönland, nicht aus Sachsen-Anhalt: „Jacke gegen Wind“ heißt es übersetzt. Stimmt!)
Kenneth: Für mich funktioniert Kleidung, wenn sie gut aussieht! Bin gerade dabei, mich für eine Winterjacke zu entscheiden. Je mehr Funktion/Schutz vor Kälte und Nässe ich möchte, desto weniger entspricht es optisch meinem Geschmack… ätzend!
Nasses Laub auf den Straßen
Kenneth: Als Rollerfahrer ist nasses Laub auf den Straßen der Teufel! Fahrradfahrer empfinden das sicher genauso, und auch wenn man Ledersohlen bei Nässe vermeiden sollte, ist für engstirnige Ledersohlenträger wie mich Laub der absolute Horror.
Anne: Ich bin mal auf nassem Laub ausgerutscht, aber zu Fuß, mit einem neuen Paar Slingbacks beim Überqueren einer dieser Fahrrad-Autobahnen in Kopenhagen. Als ich merkte, dass ich rutschte, wollte ich noch meinen Laptop vorm Fall bewahren – und landete wild mit den Armen wedelnd vornüber auf dem Asphalt. Ich schlug mir das Knie auf und den linken kleinen Zeh, was sich für mich später nicht mehr ganz rekonstruieren ließ. Die freundlichen und attraktiven Dänen hielten reihenweise an, als ich versuchte, von der Fahrbahn zu krabbeln: „Are you okay?“ Da wusste ich, dass ich mich blamiert hatte.
Herbst-Outfit-Inspirationen auf Pinterest, die nicht für den Berliner Herbst gemacht sind
Anne: Ich browse regelmäßig durch Pinterest, um am Ende immer wieder dieselben Fotos auf meine Boards zu pinnen. Vielleicht dient das zur Festigung der eigenen visuellen Meinung, wer weiß. Auf jeden Fall sind darunter unzählige Outfit-Pins, die mich optisch sehr glücklich machen – in der Realität aber frieren lassen. Die Idee von einem um den Hals geschlungenen Wollpulli als Schalersatz zu spitzen Slingbacks und Leder-Midi ist super! In Berlin aber brauche ich dazu ein Taxi. Wo sind die Influencer mit #OOTD fürs Warten an Straßenbahnhaltestellen, Paket-Abholen beim Späti in der Mittagspause und Wochenendeinkäufen bei Rewe?
Kenneth: Die Idee für Haltestellen-Outfits finde ich klasse! Aber ist nicht genau das das Problem im Herbst? Es gibt einfach kein richtig, es ist einem am Tag mindestens 2-3 Mal sowohl zu warm als auch zu kalt. Da hilft weder Pinterest noch Instagram. In dem Sinne ist der Herbst einfach sch…
Abendveranstaltungen (bei Regen)
Anne: In lauen Sommernächten scheint alles möglich. An einem Herbstabend aber wird jedes Aus-dem-Haus-Gehen zur Herausforderung. Nur wenige Dinge sind es mir wert, mir den Regen vom Wind ins Gesicht peitschen zu lassen. Und nasse Socken und strähnige Haare waren noch nie chic. Die Angst, eine gute Party wegen des Wetters sausen gelassen zu haben, steht mir aber auch nicht besonders gut. FOMO im Herbst ist meine Winterdepression.
Kenneth: Abendveranstaltungen generell, würde ich sagen. Auf einer Abendveranstaltung – und sei es nur ein Sit-in mit Freunden – will man gut aussehen und sich bequem fühlen. Man will aber eigentlich nicht 12 Schichten Kleidung an der Garderobe hängen lassen oder den tropfenden Regenschirm neben sich über den Stuhl hängen. Ich liebe Herbstbekleidung, wirklich. Aber der so beliebte Zwiebellook nervt auch einfach.
Anne: Der Zwiebel-Look nervt total! Und sieht auch wirklich nur auf Pinterest gut aus.
UGG Boots
Kenneth: Ist jetzt Geschmackssache, aber die gehen einfach gar nicht. UGG Boots sind der Herbst der Schuhe…
Anne: Hört, hört!
Wir wollen die Metallic Cowboystiefel sehen 🔥
Was für ein tolles Format! Macht das ganz oft jetzt, ja?