Climax by Karen Okada: Party-Couture der 80er
Das Jahrzehnt des Glamours: Mehr war mehr und alles war Samt. Die Marke Climax designte modische Höhepunkte – und ich fand ein Kleid davon.
Die nächste Party ist immer auch ein guter Grund für ein neues Kleid. Wir könnten natürlich eins in unserem Kleiderschrank finden. Doch bei Kleidern wie bei Partys sollte es weniger ums Können als ums Wollen gehen. Wir könnten ja auch weniger Crémant trinken. Aber wollen wir das?
Für 10 Euro plus Versandkosten fand ich auf Vinted.de etwas, das ich wollte und das anderswo für 227 Dollar gehandelt wurde: dramatische Volants1 aus plissiertem Organza, eine übergroße Blume mit Deko-Diamant, figurbetonender Rayon-Samt2 und zarte Miederstäbchen im Brustbereich – ich konnte es kaum glauben. Noch weniger, dass es fast wie neu ankam und passt wie angegossen. Das Acetat-Futter3 lässt mich sogar darüber hinwegsehen, dass es sehr wahrscheinlich kein echtes Seiden-Organza ist. Die Angabe im Materialetikett dazu: „excluded“.
Das Markenlogo hingegen hält mit nichts hinterm Berg: ein roter Kussmund, das englische Wort für Höhepunkt – deutlicher kann sich ein Label nicht als 80er-Jahre-Trend outen. Für die Party-Garderobe gibt es kein besseres Jahrzehnt. Und für meine nächste Party gibt es kein besseres Kleid.
Climax: die Kleider der It-Girls aus dem TV
Climax war in den 80ern für glamouröse Abendmode bekannt. „Im mittleren Preissegment“ verordnete die LA Times die Marke in einem Artikel von 1987. Damals kostete ein Kleid knapp 200 Dollar, was heute etwa 555 Dollar entspricht. Aber das war auch die Zeit, als Journalisten die neuen Rockstars waren. Heute würde ein Redakteur der LA Times vielleicht andere Worte finden für dieses Preissegment. Rockstars wohl auch.
Die Marke stattete gut sichtbar platzierte Promis aus, um den Verkauf anzutreiben. Vor Social Media ging das ja vor allem im Fernsehen: Marisa Tomei trug Climax in „My Cousin Vinny“. Und auch die Buchstaben-Fee des US-amerikanischen Glücksrad-Originals Vanna White trug Climax, während sie Konsonanten und Vokale umdrehte. Nach der Show wollten Zuschauerinnen dann am Telefon wissen, welches Kleid da gerade so edel auf der Mattscheibe gefunkelt hatte. (Auch Lady Gaga trug Climax, als sie 2013 in London die ITV Studios besuchte – offensichtlich sind die Entwürfe heute noch telegen.)
„Mehr ist mehr“ war das textile Motto der 80er. Und Climax-Kleider nahmen es wörtlich: tiefe Ausschnitte vorne wie hinten, nackte Schultern, üppige Volants und Samt wie bei meinem Kleid, haufenweise Pailletten und Metall-Fasern, die jede Disco-Kugel in den Schatten stellten. Die Glücksrad-Produzentin Nancy Jones beschrieb Vanna Whites Style so: „Sexy, ja. Aber nicht geschmacklos.“ Damit brachte sie auch den Climax-Style gut auf den Punkt. Denn die 80er orientierten sich trotz Lycra-Leggings modisch an den Stilregeln der 40er und 50er: mit farblich abgestimmten Anzügen und Festtagsgarderobe wie Abendkleidern, Hüten und Handschuhen.
Climax-Kleider ließen sich landesweit in den USA finden. Luxus-Kaufhäuser wie Saks Fifth Avenue führten das Label genauso wie Fachgeschäfte in kleinen Orten. Howard Levinson, Präsident von David Howard of California Inc., dem Hersteller von Climax, war besonders stolz darauf, dass die Show-Outfits von Vanna White in einer Datenbank archiviert wurden – und bei Nachfrage über den internen Computer herauszufinden war, welcher Laden in der Nähe das gewünschte Kleid führte. Mein Kleid wurde von der ursprünglichen Trägerin nicht in den USA gekauft, sondern Ende der 80er in der Boutique Ilse Moden in Bremen.
Karen Okada: Chefdesignerin für Climax mit Liebe für Exquisites
Climax hatte verschiedene Designer. Einige blieben unerkannt hinter „Climax by David Howard“, andere schafften es aufs Markenetikett – wie Karen Okada. 13 Jahre lang war sie Chefdesignerin der Modemarke. „Cocktail and evening dresses were my passion“, schreibt sie auf ihrer Website. Wenn ich mein schwarzes Organza-Volant-Samt-Kleid anhabe, glaube ich ihr. Nur jemand, der Spaß hat am Körper und an der Kunst zu drapieren, kann so ein Kleid kreieren.
Heute macht Karen Okada Schmuck. Sie verarbeitet Quarzkristalle, sogenannte Herkimer-Diamanten, mit Gold zu Ohrringen, Armbändern und Ketten. „Each stone carries both carbon and water and like each of us, they hold energy. They are all unique and exquisite“, erklärt sie. Für mich ist auch mein Kleid mit Energie geladen: von durchtanzten Nächten, lautem Lachen, wildem Knutschen – es wurde für eine Hochzeit gekauft, eine Menge Komplimente soll es dafür gegeben haben. Kein Wunder, denn „unique and exquisite“ waren auch Karen Okadas Kleider.
PS: Wer sich durch die opulent-drapierten 80er scrollen möchte, wird unter den Hashtags #karenokada und #climaxdress auf Instagram fündig. Und auf Etsy lässt sich ein Climax-Kleid direkt nach Hause ordern – die nächste Party kommt!
Rüschen werden oft mit Volants gleichgesetzt. Allerdings unterscheidet man in der Schneiderei: Ein Volant ist kreisförmig geschnitten und mit einer Mehrweite versehen, die gleichmäßig glatt auf einer kürzeren Ansatzlinie festgenäht wird. Dadurch entsteht ein Stoffüberschuss, der sich in leichte bis voluminöse Falten legt. So fällt der Stoff später „fliegend“ (französisch: „volant“), also federleicht und weich. Wie bei Jerry Seinfelds „Puffy Shirt“. Eine Rüsche hingegen wird bereits gerafft angenäht. Die Mehrweite wird zur Kräuselweite, indem sie mit zwei parallel verlaufenden Nähten zusammengezogen wird. Optisch sind Rüschen daher dichter und fester. Wie auf den Smoking-Hemden von Harry und Lloyd in „Dumb and Dumber“.
Samt ist keine Faser, sondern beschreibt erstmal nur eine Webart: für ein Gewebe mit einem darüberliegenden, eingearbeiteten Fadenflor. Der luxuriöseste Samt ist aus Seide (so trug ihn der Adel), ein hochwertiger und pflegeleichter aus Rayon bzw. Viskose und der billigste aus Polyester. Es gibt Samt auch noch aus Baumwolle, Leinen, Mohair, Wolle – und aus Raffia. Dafür werden die Fasern aus dem Inneren möglichst junger Palmenblätter verwebt. Traditionell übernehmen die Männer das Weben und die Frauen das Verzieren. Laut Mythos sollten die Frauen dafür schwanger sein. Um Samt zu tragen ist das übrigens nicht notwendig.
Acetat kann im Gegensatz zu Polyester Feuchtigkeit aufnehmen und an die Umgebung abgeben. Während ich also in einem Polyester-Futter in meinem Schweiß baden würde, ist Acetat atmungsaktiv. Bekannt wurde der Stoff in den 30ern als „Kunstseide“: matt schimmernd wie echte Seide, weich und elastisch – nur günstiger. Acetat ist außerdem pflegeleicht und knitterarm. Polyester basiert zudem auf Erdöl, Acetat hingegen wird aus Holzfasern hergestellt, die mithilfe von Essigsäuren verestert werden. Das macht Acetat nicht unbedingt umweltfreundlicher in der Produktion, aber viel angenehmer zu tragen.