Glitzernde Lichtblicke in der grauen Jahreszeit
Für alle, die den Winter auch nur dulden: meine Tipps gegen textile Tristesse.
Im Winter bin ich nicht ich selbst. Ich bin eine abgespeckte Variante von mir. Nicht abgespeckt, weil weniger Kilos. Abgespeckt, weil mir das Leben wie ein Kompromiss erscheint: Kleidung gegen die Kälte und nicht wegen des Looks, Aufstehen entgegen des Bio-Rhythmus, zu kurze Tage mit zu wenig Zeit für genauso viele Aufgaben wie im Sommer. Ich laufe auf Sparflamme, obwohl der Ofen donnert. Und die letzten Funken meiner Energie kuscheln sich unter die dicke Daunendecke der Müdigkeit.
Auch in meinem Kleiderschrank gibt’s weniger Sonnenstunden: Die pinken Viskose-Slipdresses sind bis nächsten Sommer verstaut. Sie haben Platz gemacht für dunkelblaue Woll-Cardigans. Bunte Hawaiihemden sind bordeauxfarbenen Lederröcken gewichen. Und statt übergroße Seiden-Ansteckblumen in Champagnertönen wurden waldgrüne Kaschmirtücher mit gewebtem Stockenten-Muster zum Saison-Accessoire.
Ich beneide alle, denen der Kerzenschein um 15:55 Uhr als Lichtblick ausreicht und die im Cocooning ihre mentalen Akkus laden. Die sich auf Lebkuchen vor der Lieblingsserie freuen und deren Outfits eh immer wetterfest sind. Menschen, denen es am Glühweinstand warm ums Herz wird, die die dunkle Jahreszeit als gemütlich, entschleunigend und selig empfinden.
Ich aber vermisse Sonnenbrand auf uneingecremten Oberarmen und nackte Beine. Sowieso habe ich lieber weniger an als mehr: hauchdünne Seide, Spaghettiträger – oder gleich ganz Bandeau. Selbst der obligatorische Underboob-Sweat fehlt mir ein bisschen. Denn wenn lange heiße Tage zu langen warmen Nächten führen und der Morgen schon vor dem Aufstehen beginnt, laufe ich auf Hochtouren. Dann fühle ich mich zu Hause in meinem Alltag.
Doch was tun, wenn man in grauen Breitengraden lebt, wo es mehr halb garen Winter gibt als richtigen Sommer? Wie andere mit Tageslichtlampen dagegen angehen, versuche ich mit Strass und Lamé für helle Momente zu sorgen. Ich trage mehr Highlighter auf und platziere Broschen wie Reflektoren. Pailletten sind nichts, was ich für Party-Kleider aufspare – sie leuchten mir den Weg (zum Späti, zur Schneiderin oder ins Büro) durch diese dunkle Jahreszeit.
Ich weiß, es ist nicht immer leicht, gegen 6 Grad und Nieselregen anzufunkeln. Aber der Sommer ist zu kurz, um auf ihn zu warten. Hier meine Tipps, seine Abwesenheit stattdessen zu feiern:
Mach dich schick, schicker, am schicksten: Warte nicht auf den allerletzten Tag im Jahr, um dich in Schale zu schmeißen. Trage deinen besten Party-Fummel an einem Montag ins Büro. Oder samstags zum Brunch. Oder abends zum Telefon-Date mit deiner besten Freundin. Und wenn die Kollegen sich wundern: „Warum so schick heute?“, kannst du entweder eine private Weihnachtsfeier am Abend vorschieben oder die viel wichtigere Frage stellen: „Warum nicht so schick heute?“
Mehr Pailletten, mehr Licht: Die kleinen glitzernden Plättchen gehören nicht nur an Ausgeh-Kleider. Sie können einzelne Highlights im Wollgarn sein, als Motiv gestickt werden oder sich im Überfluss auf der Abendhandtasche wiederfinden, die in der dunklen Jahreszeit eh zu allem kombiniert werden sollte. Das Beste an Pailletten nämlich: Sie reflektieren das Licht. Und davon können wir im Winter nie genug haben. (Lamé und Lurex sind auch zwei Lichtblicke in der textilen Tristesse – als funkelnde Fäden in Hemden, Sakkos, Blusen und Röcken etwa.)
Wähle einen Mantel, der alles sagt: Funktion und Ästhetik müssen sich nicht ausschließen. Nein, wirklich nicht. Es gibt nichts Schöneres als einen Mantel, der warm hält und gut aussieht. Durch seine Länge sorgt er für den Gesamt-Look – es ist also beinahe egal, ob du darunter Pailletten ausführst oder deinen Schlafanzug trägst, weil sich im Winter eh alles nach Zubettgehzeit anfühlt. Ein guter Mantel gibt den Ton an. Und das sollte er auch. Karminrot? Vintage-Pelz? Metallic? Einer, der aussieht, als hättest du nicht nur deinen Schlafanzug angelassen, sondern auch gleich deine Bettdecke mitgebracht? Ja, bitte! Unbedingt! Nur keinen in Schwarz; tu das dem Winter und mir nicht an.
Mach dem Weihnachtsbaum Konkurrenz: Es ist das Pailletten-Prinzip. Wenn was funkelt, heißt das: Licht! Und das macht mich glücklich, vor allem im Winter. Also behänge ich mich mit allem, was meine Schmuckschatulle an Vintage-Klunkern hergibt. An zwei Ohrläppchen passen vier Ohrringe (optimistische Mathematik), Ohrclips können an Rollkragen zu Broschen werden und Gott sei Dank haben wir zehn Finger.
Weniger Drama im Kopf, mehr Drama auf dem Kopf: Die Welt ist schlimm, ja. Aber das können wir in der Länge dieses Newsletters nicht ändern. Ich empfehle stattdessen, den Kopf mal auszuschalten – und ihn als praktische Ablage für hübschere Dinge als soziale Ungerechtigkeit, Krieg und politische Nonsens-Debatten zu nutzen. Für flauschige Tschapkas zum Beispiel. Oder bonbonfarbene Balaclavas. Dramatische Kopfbedeckungen haben sich in den vergangenen Wintern allmählich als massentauglich erprobt. Wer trotzdem noch Wollmütze trägt: dann bitte mit Brosche oder im passenden Karminrot zum Mantel.
Trinke O-Saft zum Frühstück aus Sektgläsern: Halte nichts „für gut“ zurück. Wann soll das sein? Ist heute nicht gut genug? Benutze das teure Tischkristall am Morgen und spüle den Mund nach dem Zähneputzen mit Wasser aus der Sammeltasse. Teegläser gibt’s mit Silberrand und Teekannen können genauso funkeln wie Pailletten. Ich liebe es, großes Tamtam um die kleinsten Dinge zu machen. Denn die haben es auch verdient. Genau wie wir, die den Winter nur dulden und sich doch an irgendetwas festhalten müssen.
PS: Die unterstrichenen Textstellen sind Links. Klicke sie an für mehr Infos, Bilder und Glitzer-Inspiration. (War auch schon in den vergangenen Newslettern so, hat aber der eine oder die andere vielleicht nicht gewusst.)
„Warum nicht so schick heute?“ - Beste Antwort! Vorgemerkt für die Zukunft :)
Und bald sind ganz viele bunte und menschliche Weihnachtsbäume auf den Straßen zu sehen. Eine herrliche Vorstellung.
Hier schneit es und es ist herrlich! 😍