5 Wege, deine Lieblingsschuhe zu ruinieren
Ein nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber für alle, die auch glauben, dass es keine falschen Schuhe gibt – nur falsche Anlässe.
Meine Kleidung ist praktisch. Auch wenn sie nicht danach aussieht; und Waschmittel-Hersteller das meiste davon zu „Feines“ zählen würden: also empfindliche Stoffe, die besondere Pflege benötigen. Doch so wie mich die kleine Wanne mit der Hand im Waschetikett nicht davon abhält, alles in die Waschmaschine zu stecken, so hält mich auch kein Wald davon ab, mein smaragdgrünes Viskose-Kleid zu tragen, dessen Puffärmel mehr ans viktorianische Zeitalter erinnern als an Forstbekleidung.
Die Praktikabilität meiner Kleidungsstücke beweise ich gern. Wie in dem Sommer, als ich von meiner ersten Fashion-Week-Show direkt zum Baumarkt fuhr, um für die Renovierung der neuen Wohnung Scheuerleisten, Farbe und Spachtelmasse zu kaufen. Meine damalige Schwiegermutter fragte mich, ob ich das schulterfreie Blumenkleid und den goldenen Flechtgürtel noch gegen etwas „Praktischeres“ eintauschen würde (und sicher auch ihren Sohn, ob er sich das mit mir wirklich gut überlegt hatte).
Doch im Blumen-Bandeau-Kleid Malerkrepp anzubringen kann ich genauso gut wie in smaragdgrüne Viskose gehüllt Pilze zu finden. Kleidung, die eine bestimmte Funktion erfüllen soll, erschließt sich mir nicht. Auch nicht das Prinzip, etwas „für gut“ aufzusparen. Ich will tragen, was mir gefällt – und dann machen, was ich will. Klingt kindisch? Nicht vernünftig? Irrational? Na das hoffe ich doch!
Nur hat auch Willenskraft ihre Grenzen. Und die liegt wohl in der Materialbeschaffenheit – vor allem von Schuhen. Denn diese halten nicht immer, was ich mir von ihnen verspreche. Wie das so ist mit Ansprüchen und Erwartungen. Manchmal bricht selbst die strapazierfähigste Party-Pantolette unter der Last zusammen, auf jeder Hochzeit tanzen zu müssen. Natürlich bin ich dann traurig. Aber hab ich’s anders gewollt?
Wer ähnlich kindisch, unvernünftig und irrational denkt, möge weiterlesen und sich inspirieren lassen von fünf Wegen, Lieblingsschuhe zu ruinieren. Alle anderen ziehen sich vorher ein paar Gummistiefel an – und machen’s besser.
1. Geh aus Liebe über Stock und Stein
Wenn er dich bei einem Spaziergang seiner Mutter vorstellen will, trag definitiv deine teuersten Schuhe. Um genau zu sein: dein erstes Paar Designer-Stiefel. Für die du selbst im Sale noch so viel bezahlt hast, dass du die Summe nie laut aussprechen können wirst. Aber das Leder war so butterweich, der Schaft stauchte perfekt gewollt ungewollt und die acht Zentimeter Absatz liefen sich wie Lammfell-Puschen …
Darin schaffst du nicht nur eine Stunde Fußweg in einem Berliner Randbezirk. Nein, du selbst schlägst vor, die große Runde dranzuhängen. Und wenn er dann auf einen verfallenen Betriebshof zeigt als nächstes Etappenziel in knapp einem Kilometer Entfernung, übersiehst du einfach die mit Regenwasser gefüllten Furchen dorthin.
Seine Mutter wird hinter dir durch den Matsch stampfend sagen: „Ich hoffe, das waren keine guten Schuhe. Die Absätze sind hin.“ Du winkst ab: „Ach Quatsch, Schnäppchen!“
2. Nimm im Tagebau die Treppen
Lädt die Berufsgruppe unter Tage in deiner Region zum Tag der offenen Tür, wählst du natürlich deine flachsten Absätze. Ob die hohe Luftfeuchtigkeit im Salzbergwerk deinen Highlighter die Wangen hinunterfließen lässt, ist dir egal. Hauptsache dein Rock passt zu den hellblauen Kitten-Heels.
Vor Ort angekommen stellst du jedoch nicht nur fest, dass die Treppen unterhalb der Erdoberfläche Stufen aus Gitterrost haben. Sondern auch, dass deine flachsten Absätze ebenso deine dünnsten sind. Weil du trotzdem sehen willst, wie Kali-Salz abgebaut wird, nimmst du in Kauf, dass du mit jedem Schritt durchs Gitterrost rutschst und dir das Leder rasierst.
3. Feier Kindergeburtstage im Sandkasten
Kinder haben den ehrlichsten und meiner Meinung nach besten Modegeschmack. Da gibt’s noch keine Vorstellung von Trends oder Dresscodes. Alles, was zählt, sind Glitzersteine, Lieblingsfarben und Tüll. (Verständlich!) Bist du auf einen Kindergeburtstag eingeladen, zieh also deine kinderfreundlichsten Schuhe an, heißt: fliederfarbene Wildleder-Pantoletten, die an Lavendel-Zuckerwatte erinnern.
Lass dir Komplimente vom sechsjährigen Geburtstagskind und ihren fünf Freundinnen machen – bis eine die unausweichliche Frage stellt, ob sie die Schuhe mal anprobieren darf. Stolz auf dein offensichtlich noch ungebrochenes Stilempfinden willigst du ein. Auch bei ihren fünf Freundinnen. Und nachdem du anderthalb Stunden barfuß mit den Eltern Erdbeerbowle getrunken hast (die trugen alle Flipflops), findest du deine Wildleder-Pantoletten im Sandkasten: jetzt staubig-schweißfüßig schwarz, eher an verbranntes Popcorn erinnernd.
4. Trink zu viel Limoncello am Ostseestrand
Zelte mit der Liebe deines Lebens am nördlichsten Punkt von Usedom. Kaufe im Laden am Campingplatz die einzige Flasche, die kein Bier, Rum oder Wodka enthält, aber trotzdem Umdrehungen hat: „Zitronenlikör aus Italien“ sagt das Kleingedruckte. Glaub das ruhig.
In deinen hellblauen Lieblings-Pantoletten gehst du liebestrunken die Treppe an der Steilküste runter zum Strand. Ihr knutscht, der Limoncello dreht … Am nächsten Morgen wachst du auf, immer noch liebestrunken, aber ohne Kater (bester Zitronenlikör, wusstest du ja!) – und ab jetzt auch ohne Schuhe: Dem aufgeweichten Leder zufolge hast du in der Nacht wohl noch versucht, schwimmen zu gehen.
5. Sei geizig beim Fluggepäck
Reist du für einen Monat nach New York und Kalifornien, nimm nur Handgepäck. Und wenn du dich wegen der kleinen Koffergröße zwischen dem Steamer und einem zweiten Paar Schuhe entscheiden musst, nimm den Steamer. Vor Ort läufst du dir dann die Sohlen ab, stolperst Subway-Treppen hoch und rutschst auf den Stoops der Brownstones aus. Sowieso bist du in dieses Land gekommen, um zu fallen.
In der letzten Woche der Reise sind deine weißen Leder-Pantoletten mit mittelhohem Blockabsatz so ausgelatscht, dass du sie am liebsten direkt ersetzen würdest. Nur bist du unglaublich wählerisch, was Schuhe angeht … Doch dann denkst du kurz, den Schuh-Jackpot geknackt zu haben: In einem Vintage-Laden findest du ein Paar bronzefarbene Riemchen-Sandaletten von Jimmy Choo für 14 Dollar. Nach gerade mal einem Häuserblock Fußweg aber merkst du, wie unbequem sie sind. Deine weißen Leder-Pantoletten tragen dich gerade so zurück nach Berlin – ihr Ziel: die gelbe Tonne in deinem Innenhof.
Genau SO nämlich! Ich habe ein paar Loafers aus Kalbsleder, die ich bei Wind und Wetter trage. Man sieht es Ihnen leider auch an, sind aber nach wie vor meine Favoriten im Schuhschrank!
!!! "Reist du für einen Monat nach New York und Kalifornien, nimm nur Handgepäck."